Das Wünschen
Das Leben ist krank.
Es ist verseucht von den Vorstellungen verwester und verwesender Gesellschaften,
die sie für ihr Überleben geschaffen haben.
Unsere Wirklichkeit ist eine verratene Wirklichkeit.
Unsere Werte sind Hieroglyphen.
Was ist bei uns noch angeboren und was anerzogen?
Unser Gott ist entweder der Verstand, der die Welt ordnet und versachlicht oder
das Gefühl, das die Welt über die fünf Sinne belebt.
Wir verstehen und empfinden die Welt aus unserer körperlichen Beziehung zu ihr.
Was wir denken und fühlen ist biologisch und / oder soziologisch festgelegt.
Ursprüngliche Gefühle aber entstehen, drücken sich im Körper, am Körper nur
zweitrangig aus. Ihren Inhalt kann man nur "empfinden", wenn man im Inhalt enthalten
ist oder ihn in sich einfügt.
Jegliche Beziehung und deshalb jegliches von ihr erzeugtes Gefühl stammt aus der
äußeren Welt. Jegliche Beziehung errichtet Barrieren, schafft Abhängigkeit, ist
ausgleichend, bindet, ist eine Krücke.
In der äußeren Welt ist jeder eine in sich abgeschlossene Einheit, und er kann diesen
Zustand scheinbar nur durch Beziehungen, Mitteilungen, soziale Bindungen
überwinden.
Du!
Wer bist Du?
Zuerst bist du ein biologisches Wesen, das zur Erhaltung seines Selbst Nährstoffe aus
seiner Umwelt benötigt, das zu seiner Reifeentwicklung Schutz und Geborgenheit
braucht. Biologisch bist du nicht autonom, du bist abhängig von den äußeren
Gegebenheiten und Einwirkungen, von den Wesen, die dich umgeben und sich um
deine lebenswichtigen Bedürfnisse kümmern. Deine Überlebenssysteme, die sich in
Jahrmillionen entwickelt haben, werden alles tun, um dir diese äußeren Quellen zu
erschließen und zu erhalten. Du passt dich an:
Was man von dir verlangt, versuchst du zu erfüllen.
Durch deine biologische Weiterentwicklung entsteht in dir ein Bewusstsein der Welt,
und du entdeckst ihre Mannigfaltigkeit und die Mannigfaltigkeit der Objekte, die deine
Bedürfnisse befriedigen könnten und können. Die Vorstellung des Möglichen – das
Wünschen - genährt, ausgewählt und gerichtet auf bestimmte Objekte deiner Umwelt,
entsteht in dir. Und du erschaffst dir deine Welt aus Wünschen.
Wünsche aber sind die Wirklichkeit, wie sie uns gefällt. Wünsche sind im Ich gesät von
der uns umgebenden Welt: Sie entstehen aus dem wirklichen oder eingebildeten
Empfinden der Unvollkommenheit seines Selbst. Eine fiktive Vollkommenheit wird
lebensnotwendig.
Das Überleben fordert Nahrung, Schutz, Fortpflanzung und deren Sicherung. Hierauf
gründen die Gesellschaften.
Heute scheinen unsere Wünsche nicht mehr so gewöhnlich. Aber sie sind es: Sie haben
Ausmaß und Güte verändert, jedoch den Inhalt können sie nicht verwandeln.
Dein Bewusstsein etabliert jedoch in dir auch eine eigene Entscheidungsinstanz;
Objekte ziehen dich an oder stoßen dich ab. Zwischen dir und deiner Umwelt kommt es
zu Inkongruenzen, zu Konflikten. Du gibst den Forderungen der Umwelt nach, um dich
biologisch zu erhalten.
Deine Wünsche werden zu Phantasien mit dem Bedürfnis, sich zu verwirklichen. Doch
sie werden eingenommen und überdeckt von der Wirklichkeit.
Irgendwann trittst du aus dieser Beherrschung hinaus, darfst dich selbst bestimmen und
hast natürlich nichts Eiligeres im Sinne als die Verwirklichung "deiner" Wünsche. Ihre
Erfüllung ist aber unmöglich oder unbefriedigend geworden, weil sie dem Umfang,
dem Inhalt und der Qualität nach nicht in die Verkörperungsmöglichkeiten passen.
Wieder bist du im Konflikt. Sehnsüchte, Ängste des Verlustes, Neid und Eifersucht,
Frustration und Aggression, Depression und Zerstörung werden zum Inhalt deines
Lebens. Ein Kreislauf, aus dem dich der Tod gnädig erlösen kann, könnte, wird.
Unberücksichtigt bleibt, dass deine Wünsche auch dir nicht eigen sind, sondern nur
Alternativen zu dem, was dir aufgezwungen wurde; also auch nur Objekte der
biologischen Erhaltung in einer anderen Ausführung; letztlich die Fremdbestimmung
deines Seins.
Das, was aber deine wirkende Natur ist, will sich verkörpern und erfüllen.
Entbinde sie, lass sie ihren Weg, ihren Raum, ihre Lüfte finden. Versuche nicht, sie zu
kontrollieren. Dein Bewusstsein, dein Ich kann sie nur bewundern.
Liebe, Vertrauen, Verstehen lebt und erlebt man.
Das Leben, dein Leben hat kein göttliches Ziel. Du bist die Idee, die sich verkörpert.
Außer dir kann nichts und niemand deinem Leben einen Sinn geben: leben und erfüllen,
was du bist.
Sich zu veräußern, sich bestimmen zu lassen ist für diejenigen, die vegetieren: sie
existieren, aber sie erkennen nicht, sind nicht lebendig.